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Kunst als alternative Anlageklasse im Family Office Management

Seit Generationen gehören bei den Vermögenden Kunstwerke oder ganze Kunstsammlungen zum festen Bestand ihres Vermögens. In den seltensten Fällen wurden sie erworben, weil es dem Erwerber darum ging, einen dauerhaften substanziellen Wert zu schaffen – in den meisten Fällen wurde Kunst gekauft, weil man Gefallen an Werk und Künstler fand und bis heute findet. In den vergangenen Jahrzehnten gesellten sich zum dem Kreis der privaten Kunstliebhaber und Sammler auch institutionelle Investoren, denen nicht entgangen  war, dass sich Kunstobjekte – wenn man sie zur richtigen Zeit erwirbt – als werterhaltende Bestandteile eines Gesamtvermögens erweisen können, die zudem mit den klassischen Asset-Klassen, insbesondere den liquiden, kaum korrelieren.

Diese Finanzinvestoren werden von anderen Motiven als der puren Schönheit eines Kunstwerkes getrieben. Klar ist auch, dass sie sehr viel professioneller an das Thema herangehen und dass andere Kriterien für eine Kaufentscheidung ausschlaggebend sind. Aber welches sind diese Kriterien? Wie nachhaltig erweisen sich Investments in Kunst und wie kann man Investitionen in Kunst mit klassischen Investments vergleichen? Kann man es überhaupt?

Diese und viele weitere Fragen sind bereits seit einiger Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.

1. Die Bewertung von Kunst und von Kunstwerken

Für professionelle Investoren ist die Bewertung eines Kunstwerks von entscheidender Bedeutung. Doch woher erhält man valide Werte für Kunstwerke bestimmter Künstler oder für bestimmte Kunstrichtungen und Epochen? Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich unterschiedliche Bewertungsmethoden für Investments in Kunst entwickelt. Grundsätzlich kann man sagen, dass es zwei Arten gibt, den Wert eines Kunstwerkes zu ermitteln: entweder man betrachtet das jeweilige Werk selbst und bestimmt dessen Wert nach verschiedenen Kategorien, wie etwa dem Künstler, seinem jeweiligen Schaffenszyklus, der Einordnung dieses einen Werkes in sein Lebenswerk etc.. In diesem Fall spricht man von einer sog. „hedonischen Regression“. Eine grundsätzlich andere Methode der Wertermittlung verfolgt ein Kunstwerk vom Zeitpunkt seines erstmaligen Verkaufs an und ermittelt den aktuellen Wert aus den verschiedenen Transaktionen und den jeweils gezahlten Preisen im Lebenszyklus des Werkes. Diese Methode bezeichnet man als „Repeat Sales Regression“. Ermittelt man nun im Wege der ersten oder der zweiten Methode Wertansätze für Kunstwerke, so lässt sich aus der Summe dieser Werte ein Index ableiten, der wiederum für mathematische Algorithmen und – am Ende des Tages – auch für Zwecke der Portfoliotheorie genutzt werden kann.

Mit Hilfe dieser Indizes lassen sich eine „Asset Klasse“ definieren und Wertentwicklungen bzw. Performanceergebnisse simulieren. Genutzt werden diese Indizes insbesondere von den großen internationalen Auktionshäusern, wie z.B. Sotheby´s. Marktgängig sind heute neben dem „Sotheby´s-Mei Moses-Index“, dem „Artnet Fine Art Index“, dem „Artprice Global Index“ auch der „General Fine Art Index“ und der „Art Investment Market Index“. Dass all diese Indizes ihre jeweiligen Stärken und Schwächen aufweisen, ist wissenschaftlich unbestritten. Dennoch ist auch hier im „Reich der Blinden“ der „Einäugige König“: Besser mit einer möglicherweise an einigen Stellen angreifbaren Methode rechnen als gar nicht.

2. Zur Übertragbarkeit der Grundsätze der Neoklassischen Finanzierungstheorie

Ob man auf die erwähnten Indizes die Grundsätze der neoklassischen Finanzierungstheorie, also z.B. das sog. „CAPM“ (Capital Asset Pricing Model) oder die Lehren der Portfoliotheorie nach Markowitz anwenden kann, ist umstritten. Wenn man es tut, muss man sich der Stärken und Schwächen der Kunstindizes bewusst sein und auch darauf hinweisen, wo genau die Unschärfen liegen. Hinzu kommt, dass der Kunstmarkt noch immer größtenteils intransparent ist und deshalb nur vergleichsweise wenige Daten für die Indexermittlung zur Verfügung stehen.

Aus Sicht eines Family Office erweist sich die zumindest theoretische Möglichkeit einer Übertragung dieser Grundsätze auf Investments in Kunst aber als segensreich, denn gerade das ganzheitliche Vermögensmanagement muss zumindest unter Inkaufnahme von Schwächen auch das Segment der Kunstinvestments erfassen und damit arbeiten. Die Problematik bei der Datenerhebung der Indizes setzt sich bei den Methoden der Risikomessung fort. Wenn man mit Kunstindizes rechnen und simulieren möchte, muss auch ein Risiko berechnet und müssen Betafaktoren bestimmt werden können. Auch hier bietet die wissenschaftliche Forschung brauchbare Ansätze an.

3. Korrelationen

Jüngere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Investitionen in Kunstwerke so gut wie gar nicht mit anderen Asset Klassen, nicht nur den liquiden, sondern auch anderen illiquiden, korrelieren. Hier schlägt sich der Vorteil der Anlage eines Teils des Gesamtvermögens in Kunst besonders wirkungsvoll nieder. Zudem: Man muss also nicht täglich hinschauen, sondern kann die Investments mit gutem Gewissen eine ganze Zeit lang „liegen lassen“. Dennoch ist, nicht zuletzt aus aktuellem Anlass, die Frage interessant, wie sich exogene Schockereignisse, wie z.B. 9/11, die Subprime-Krise oder die Covid-19 Pandemie, auf den Kunstmarkt und die Indizes auswirken bzw. auswirken werden. Die Vergangenheit zeigt, dass die Auswirkungen je nach Epoche und Stilrichtung sehr unterschiedlich sind. Eine globale und einheitliche Auswirkung auf „die Kunst“ gibt es nicht – nur einzelne „Peaks“ in bestimmten Segmenten. Tendenziell lässt sich deshalb sagen, das Kunstinvestments neben portfoliostabilisierenden Effekten auch einen gewissen Schutz vor Krisen bieten. Dies macht sie zusätzlich zu einem Instrument der „Asset Protection“ und damit auch für Family Offices hochinteressant.

4. Fazit

Investments in Kunst waren seither und sind in zunehmendem Maße „en vogue“. Die wissenschaftliche Erforschung der Einbeziehung von Kunst in den Kontext der Steuerung eines Gesamtvermögens ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Als eine der zahlreichen Segnungen der Digitalisierung lässt sich feststellen, dass auch der Kunstmarkt zunehmend transparenter wird und die oben beschriebenen Simulationen deshalb immer besser und genauer werden.